Der Wein und die Regionen des Bordeaux: ein Überblick

Am 9. Oktober 2022 · von Cédric Garraud

Bordeaux. Es gibt so viel zu entdecken

Über das Bordeaux, die vielleicht bekannteste Rotwein-Region der Welt, wurde schon viel geschrieben. Unzählige Bücher füllt das Thema Bordeaux – bereits seit Jahrzehnten, ja fast Jahrhunderten. Doch hat Bordeaux neben seiner Tradition auch eine dynamische, moderne Seite. So sind beispielsweise 65 Prozent aller Weinberge umweltzertifiziert – Ziel sind 100 Prozent. Unser geborener Bordeaux-Experte Cédric Garraud hat daher den Versuch unternommen, dieses durchaus komplexe Thema auf die wesentlichen Fakten zu verdichten.

Linkes und rechtes Ufer: Kompass der Rebsorten

Um einen guten Einstieg in die Materie zu liefern, möchten ich mich dem Bordeaux zunächst geografisch nähern: Die westlichste Weinregion Frankreichs befindet sich nicht nur in der Nähe der gleichnamigen Stadt, sondern sie liegt auch an den Flüssen Garonne und Dordogne, die sich dort zur Gironde vereinigen. Schaut man von oben auf eine Karte des Bordeaux, so kommen die Garonne und Dordogne von „rechts unten“, fließen zur Gironde zusammen und münden dann „links oben“ ins Meer. Dadurch ergibt sich ein linkes und ein rechtes Ufer und genau diese beiden Ufer helfen dem Weinfreund bei der Orientierung in Sachen Rebsorten im Bordeaux. Noch einmal zum Merken: Der Blick in Richtung Mündung bestimmt, was links und was rechts ist.

Weinregion Bordeaux Region

Es ist eigentlich ganz einfach: Appellationen, also Anbaugebiete, auf der linken Gironde- und Garonne-Seite produzieren Weine, die durch die Rebsorte Cabernet Sauvignon dominiert werden – nicht selten verschnitten mit Merlot und Petit Verdot. Auf diesem „linken Ufer“ liegt auch die wohl bekannteste Appellation des Bordeaux, das Médoc. Auf der rechten Gironde- und Dordogne-Seite dominiert in der Regel der Merlot die Weine – in vielen Fällen noch mit Cabernet Franc zur typischen Bordeaux-Cuvée vermählt. Das kleine, aber feine Pomerol sowie die Appellation Saint-Émilion genießen hier den besten Ruf.

Die Bordeaux-Klassifikation von 1855: Tradition verpflichtet

Das von Napoleon III. eingeführte Klassifikationssystem dient Weinfreunden bereits seit 1855 zur Orientierung. Auch heute noch eine gute Idee, zumal wir es aktuell im Bordeaux mit einer Anbaufläche von rund 110.800 Hektar zu tun haben, auf der rund 3.000 Châteaux etwa 5,7 Million Hektoliter Wein pro Jahr produzieren. Nur zur Einordnung: Die Rebflächen aller 13 deutschen Anbaugebiete zusammengenommen entsprechen ungefähr der Größe der Weinregion Bordeaux. Die Klassifikation von 1855 berücksichtigt aber nur das linke Ufer und zudem nur Weingüter aus dem Weinbaubereich Médoc und seinen Appellationen, da sie damals die besten Weine hervorbrachten. Dabei wurde nur eine Ausnahme gemacht, denn das in der Klassifikation berücksichtigte Château Haut-Brion ist im südlicheren Pessac-Léognan beheimatet. Aber wie wurde die Klassifikation genau festgelegt?

Zur Weltausstellung 1855 in Paris entschied der wichtigste Zusammenschluss von Weinhändlern im Bordeaux über die Vergabe der fünfstufigen Klassifizierung sehr pragmatisch: Nicht etwa wurden die Weine „gegeneinander“ verkostet, vielmehr wurde der Ruf der einzelnen Weingüter in Betracht gezogen, aber vor allem waren die damals für die Weine erzielten Marktpreise entscheidend. Seitdem kam nie ein weiteres Weingut hinzu, und ebenso wenig musste eines der Weingüter diesen Status aufgeben.

Reblandschaft

Der Tradition verpflichtet – Mit dem Pferd durch die Reblandschaft

Lediglich 1973 gab es eine Änderung, als nämlich das Château Mouton-Rothschild vom Deuxiéme Grand Cru Classé zum Premier Grand Cru Classé aufstieg. In dieser historischen und dennoch aktuellen Klassifikation in fünf Qualitätsstufen mit insgesamt 61 Häusern finden sich dann auch all die Namen wieder, die das Herz eines Weinfreundes höher schlagen lassen. Nur um einige Beispiele zu nennen, ein Auszug der Liste mit den klangvollen Namen:

Lediglich fünf Weingüter zählen zur Premier Grand Cru Classé:

Die Deuxième Grand Cru Classé setzt sich aus vierzehn Häusern zusammen, darunter sind …

Ebenfalls vierzehn Weingüter zählt die Troisième Grand Cru Classé mit …

Die Quatrième Grand Cru Classé umfasst zehn Häuser, darunter …

Zu den 18 Weingütern der Cinquième Grand Cru Classé zählen beispielsweise …

Natürlich lässt sich diese Einteilung nicht mehr uneingeschränkt auf die Weinqualität übertragen. Zum Beispiel haben sich einige der „5er Grand Cru Classé“wie Château Pontet-Canet hervorragend entwickelt und entsprechen daher gefühlt heute eher einem „3er“ oder sogar „2er“.

Château d’Yquem umgeben von Reben

Die Premier Cru Classé Supérieur wird einzig und allein dem legendären Château d’Yquem im Bordeaux zuteil.

Süßweine, Saint-Emilion und Pomerol

Wie bereits beschrieben, deckt die Rotwein-Klassifikation von 1855 nicht alle Appellationen im Kerngebiet des Bordeaux ab, weshalb noch weitere Klassifikationssysteme in den Nachbarregionen entstanden. Ebenfalls aus dem Jahr 1855 stammt die Klassifikation der weltberühmten Süßweine aus Sauternes und Barsac. Hier existieren allerdings nur drei Kategorien: Premier Grand Cru Classé mit elf Weingütern, fünfzehn Châteaux mit Deuxième Grand Cru Classé-Status sowie die über allem thronende Klassifikation als Premier Cru Classé Supérieur, die einzig und allein dem legendären Château d’Yquem zuteil wird.

Die am „rechten Ufer“ gelegene Rotwein-Appellation Saint-Émilion ließ sich in Hinblick auf eine Klassifizierung Zeit. Erst hundert Jahre später als seine „linken“ Nachbarn, nämlich 1955, klassifizierten sie ihre Weine. Allerdings ist man im Saint-Émilion etwas weniger traditionsbewusst und stärker an einem echten Qualitätssiegel interessiert. Daher wird die Klassifikation im Schnitt alle zehn Jahre angepasst. Über 50 Jahre lang standen mit Château Ausone und Château Cheval Blanc zwei Weingüter einsam an der Spitze, sie erhielten regelmäßig die höchste Klassifikation: Premier Grand Cru Classé A. Erst mit der Klassifikation von 2012 gab es mit Château Angélus und Château Pavie zwei Neuzugänge in der Eins-A-Etage.

Doch schon bald danach erklärten Château Cheval Blanc, Château Ausone und Château Angélus an der 2022er-Bewertung nicht mehr teilnehmen zu wollen. Deshalb werden seit 2022 nur noch Château Figeac und Château Pavie als Premier Grand Cru Classé A geführt. Immerhin zwölf Weingüter sind als Premier Grand Cru Classé B eingestuft: Château Beau-Séjour Bécot, Château Beauséjour Héritiers Duffau-Lagarrosse, Château Bélair Monange, Château Canon, Château Canon-La-Gaffelière, Château Larcis Ducasse, Château Pavie-Macquin, Château Troplong-Mondot, Château Trottevieille, Château Valandraud, Clos Fourtet und La Mondotte. Insgesamt 71 Châteaux wurden zudem als Grands Crus Classé eingestuft.

 

Weinberge

Bordeaux-typische Reblandschaften

Die benachbarte und kleinste Appellation im Bordeaux namens Pomerol hatte in Sachen Klassifizierung „Glück“: Erst Anfang des 19. Jahrhundert wurde die Weinwelt auf die meist aus 100 Prozent Merlot produzierten Weine aufmerksam. Zudem ist das Gebiet so klein, dass eine Orientierung ausnahmsweise auch ohne Klassifikation möglich ist. Das wirklich besondere an dieser 800 Hektar großen Appellation ist die Tatsache, dass von hier einige der besten und teuersten Weine des Bordeaux überhaupt stammen. Allen voran Château Petrus, das unter Kennern Weltruhm genießt.

Highlights aus Bordeaux

Die Charakterisierung der einzelnen Anbaugebiete

Médoc Gebiet

Médoc

Wie auch Graves, Saint-Émilion und Pomerol ist das Médoc eine Subregion der Weinregion Bordeaux und in dieser kommunalen Appellationen entsteht eine Vielzahl der bekanntesten und prestigeträchtigsten Weine des Bordeaux. Der hier vorherrschende, sehr karge Boden sorgt für beste Voraussetzungen zur Herstellung von Weinen aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon und Merlot.

Haut-Médoc

Das Haut-Medoc ist insbesondere durch seine Cabernet Sauvignon dominierten Rotweine bekannt. Durch Merlot, Petit Verdot und manchmal auch Malbec werden diese Cuvées komplettiert. Die Weine, die hier entstehen sind komplex, elegant mit Aromen von roten und schwarzen Beeren. Diese lebendige Frucht wird häufig von einer Mentholnote begleitet.

Margaux

Das Margaux ist die größte Appellation innerhalb des Médoc und verfügt über eine Rebfläche von fast 1.500 Hektar. Die Weine besitzen in der Regel komplexe Aromen von Gewürzen, florale Noten und roten Beeren. Im Abgang sind sie elegant, aber gleichzeitig kraftvoll und verfügen so über ein hervorragendes Alterungspotenzial. Das gleichnamige Château Margaux ist gleichsam das Aushängeschild der Region.

Pauillac

Das Pauillac gilt unter vielen Kennern als Heimat der besten Châteaux im Bordeaux überhaupt. Mit Château Lafite-Rothschild, Château Latour und Château Mouton-Rothschild kommen allein drei der fünf Premier Grand Cru Classé aus dem Pauillac. Die Weine sind körperreich und mit einer satten Tanninstruktur ausgestattet. Reife Exemplare verführen mit den typischen Aromen von schwarzen Johannisbeeren und Zedernholz.

Saint-Julien

Saint-Julien liegt auf zwei Plateaus zwischen Pauillac und Margaux. Die Region hat die kleinste Produktion der vier wichtigsten Appellationen im Médoc. In Bezug auf die Klassifikation von 1855 liegen hier die meisten Weingüter, die als Grand Cru Classé ausgezeichnet wurden, unter anderen auch Léoville-Las Cases und Léoville Barton.

Saint-Estèphe

Saint-Estèphe ist die nördlichste Region im Médoc und hier entstehen besonders robuste Rotweine, die mit einer sehr guten Säure ausgestattet sind. Die Châteaux Cos d’Estournel und Montrose haben sicher die bekanntesten Namen der Gegend. Saint-Estèphe bietet aber viele spannende Weine, die häufig auch schon als günstige Cru Bourgeois zu haben sind.

Graves & Sauternes Gebiet

Pessac-Léognan

Die Appellation Pessac-Léognan liegt in der Subregion der Weinregion Bordeaux, Graves. Sie existiert erst seit 1987 und wurde mit dem Ziel gegründet, die besten Produzenten im Graves herauszustellen. Im Pessac werden sowohl Rotweine als auch Weißweine produziert. Der bekannteste Produzent der Appellation beider dieser Weintypen ist das Château Haut-Brion.

Sauternes & Barsac

Diese reine Süßwein-Appellation ist durch Weingüter, wie Château d’Yquem, Château Suduiraut und Château Rieussec weltbekannt geworden. Die Weine zeichnen sich durch ihre unwahrscheinliche Aromakomplexität aus und verfügen über genügend Säure, um nicht als „klebrig“ wahrgenommen zu werden. Ein hochwertiger Sauternes aus einem guten Jahr kann problemlos mehr als fünfzig Jahre reifen.

Libournais Gebiet

Saint-Émilion

Das Saint-Émilion ist eine neben dem Médoc, Graves und Pomerol eine der wichtigsten Rotwein-Gebiete des Bordeaux. Die Weine bestehen hier fast immer aus Merlot und Cabernet Franc. Saint-Émilion ist nicht Teil der 1855er-Klassifikation, sondern hat ihr eigenes System, das 1955 etabliert wurde. Château Ausone, Château Cheval Blanc, Château Angélus und Château Pavie bilden bislang die Spitze dieser Klassifikation (Premier Grand Cru Classé A). Für 2022 sind jedoch große Veränderungen zu erwarten.

Pomerol

Pomerol ist die kleinste Appellation in der Weinregion Bordeaux und dennoch entstehen hier einige der besten Weine der gesamten Gegend. Sie sind häufig opulent und durch die überschwängliche Merlot-Frucht geprägt. In Pomerol existiert überhaupt kein Klassifikationssystem und trotzdem kommen von hier einige der teuersten Weine der Welt – insbesondere von Pétrus, Le Pin und Lafleur.

Entre-Deux-Mers Gebiet

Entre Deux Mers

Dieses Gebiet stellt eine Besonderheit in der Weinregion Bordeaux dar, denn es ist vor allem für seine trockenen Weißweine bekannt – in der Regel Cuvées aus Sauvignon Blanc, Sémillon und Muscadelle. Die Weine überzeugen durch ihre feine, durch Zitrusfrüchte geprägte Frische und eignen sich besonders als Begleitung zu Fischgerichten. Der Name dieser Appellation bedeutet wörtlich übersetzt „zwischen den Meeren“ und dieser ist durchaus wörtlich zu nehmen: Entre Deux Mers liegt zwischen den beiden größten Flüssen des Bordeaux, der Garonne und der Dordogne.

Selbstverständlich sollte man nicht nur die Bordeaux-Appellation kennen, sondern am besten auch die Weine verkosten und genießen. Wer noch mehr über die Weinregion Bordeaux erfahren will, sollte unbedingt in den Podcast „Bei Anruf Wein“ reinhören. Bereits zwei Mal haben mich die Gastgeber Michael und Tobias eingeladen, um ein wenig über meine Heimat und ihre Weine zu erzählen. Und gleich ob Wein trinken oder Podcast hören, ein ehrliches „viel Spaß“ zum Abschluss.

Lese-Tipp der Redaktion: Côtes du Rhône: Sehnsuchtsorte und traumhafte Weine

Mehr zu dem Thema beim Weinfreunde Podcast „Bei Anruf Wein“

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