Was ist Oxidation?
Am 13. September 2024 · von WeinfreundeDie Antwort führt uns direkt in die Chemie: Oxidation beschreibt die Reaktionen eines Weines auf den Kontakt mit Luft, bei denen Ethanol (wir nennen es Alkohol) in Acetaldehyd umgewandelt wird. Das Ergebnis kann dazu führen, dass der Wein nicht mehr trinkbar, zumindest nicht mehr genießbar ist. Man spricht dann auch von einem Weinfehler.
Love is like Oxygen. Das eine so kostbar wie das andere lebensnotwendig. Aber was macht Sauerstoff mit unserem geliebten Wein? Lennard L. aus Bonn stellt die mehr als berechtigte Frage an das Frag-die-Weinfreunde-Team: Was eigentlich ist Oxidation bei Wein?
Wie verändert Oxidation das Aussehen eines Weins?
Wenden wir uns zunächst jenen Auswirkungen der Oxidation zu, die wohl schon die meisten Weinfreunde haben schmerzlich beobachten können. Ein Wein, den wir zuvor noch in vollen Zügen genossen haben, hat sich nach einigen Tagen in der geöffneten Flasche sichtbar verändert. Seine zuvor klare und brillante Farbe wirkt plötzlich glanzlos und stumpf – ein untrügliches Zeichen, dass der chemische Prozess der Oxidation bereits in vollem Gange ist. Umso weiter wird dieser fortgeschritten sein, je größer sich der Anteil des Sauerstoffs in der Flasche gegenüber dem restlichen Wein darstellt und je länger die Flasche schon steht. Der Grad der farblichen Veränderung liefert sodann stichhaltige Indikatoren für den Verfallszustand. Diese können bis zu einem unappetitlichen Braunton reichen, so wie man ihn auch von einem aufgeschnittenen Apfel kennt, der dem gleichen Prozess ausgeliefert war: zu viel Kontakt mit Luft. So wie der Apfel in diesem Fall seinen vorgezeichneten Weg in die Biotonne suchen sollte, gehört der Wein im Zweifel in den Ausguss.
Welche Auswirkungen hat Oxidation auf den Wein Geschmack?
Wenn sich die zuvor beschriebene optische Degeneration des Weins bemerkbar gemacht hat, wird sich auch die Aromatik, mithin der Geschmack des Weins bereits verändert haben – und zwar tendenziell in Richtung der Ungenießbarkeit. Typische Effekte der Wein-Oxidation zeigen sich beispielsweise in Essignoten und häufig auch in einem metallischen Beigeschmack. Wenn sich der Wein bereits in diesem bedauerlichen Zustand präsentiert, sollte er höchstenfalls noch zum Ablöschen von Speisezubereitungen Verwendung finden. Ein Coq au Vin, das in oxidiertem Pinot Noir geschmort wurde, wird jedoch kaum Freunde finden. Ausdrücklich betont aber sei: Oxidierter Wein ist entgegen mancher Mutmaßung nicht gesundheitsschädlich!
Wie kann man der unerwünschten Oxidation entgegenwirken?
Natürlich, nicht jede Flasche Wein wird gleich gänzlich ausgetrunken. In diesem Fall gibt es einige ganz praktische Regeln für den unbeschwerten Genuss an den Folgetagen. Grundsätzlich gilt: je voller die geöffnete Flasche noch ist, desto länger die Freude am übrig gebliebenen Wein. Der Ort der Wahl für eine angebrochene Flasche ist einzig und allein der Kühlschrank. Ein möglichst fester Verschluss unterbindet die Sauerstoffzufuhr und bremst den Oxidationsprozess wirksam. Egal, ob Rot-, Rosé- oder Weißwein, auch eine geöffnete Flasche kann im zweiten Zug immer noch große Freude bereiten, aber eben nicht ewig.
Wie erkannt man, dass gereifte Rotweine oxidiert sind?
Wein ist eines der am längsten haltbaren Lebensmittel überhaupt. Insbesondere gilt das für Rotweine, die nicht selten erst über einen erheblichen Zeitraum reifen müssen, bevor sie den Reichtum ihrer Aromen und Geschmacksstoffe entfalten können. Zehn oder sogar zwanzig Jahre sollten einem guten Bordeaux, eigentlich nichts anhaben können und dennoch erlebt man zuweilen eine bittere Enttäuschung. Ein durchnässter Korken ist beispielsweise ein Alarmsignal, das auf eine beginnende Oxidation hinweist. Im Glas zeigt sich die ablaufende Haltbarkeit eines Rotweins wiederum in der Farbe, in deren nachlassender Intensität, die zuweilen schon in Richtung Orange tendieren kann. Aufdringliche Aromen von Pflaumen, Kompott oder getrockneten Feigen können ebenso auf eine premature oxidation hinweisen. Die gute Nachricht: Rotweine haben einen von Natur aus größeren Schutz gegen vorzeitige Oxidation, da die in ihm enthaltenen Tannine und Phenole den Sauerstoff zurückhalten.
Was ist eine kontrollierte Oxidation?
Man springt jedoch zu viel kurz, wenn man Sauerstoff zum natürlichen Feind des Weins erklärt. Im Gegenteil: die – wenngleich kontrollierte – Zufuhr von Luft ist für die Weinbereitung geradezu unverzichtbar. In geringen Mengen eingeleitet, man spricht dann von Mikrooxidation, sorgt sie beispielsweise dafür, die Gärung einzuleiten und die Hefen zu aktivieren. Beim Ausbau und der Lagerung in luftdurchlässigen Eichenfässern, begleitet Sauerstoff den gewünschten Reifeprozess, in dem dieser in den Tanninen aufgenommen wird. Zudem: Weine, die bereits zahlreiche Jahre gelagert wurden, zeigen sich bisweilen erst einmal verschlossen. Der Kontakt mit Sauerstoff, möglicherweise unterstützt, in dem man dekantiert, hilft dem Wein, sich im allerbesten Sinne für den Genuss zu öffnen. Und einen weiteren Kosmos betritt man bei Spirituosen, die ganz mit Absicht oxidativ hergestellt werden – Sherry etwa.
Mehr zum Thema auch in unserem Weinfreunde Podcast „Bei Anruf Wein“